Dürfen Unternehmen ihren Kunden (sogar Zero-Dollar-Clients) ohne Einwilligung einen Newsletter schicken? Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage beantwortet.

Problemaufriss

Ich will es kurz machen: Unternehmen, die kein Marketing betreiben, riskieren häufig (freilich nicht immer) ihr Scheitern,mit unangenehmen Folgen für Beschäftigte, Gläubiger und die Gesellschaft insgesamt, die nicht selten die Kosten des Scheiterns mittragen muss. Die DSGVO steht klugem Marketing – anders als in aktuellen Reformdebatten gern behauptet – nicht entgegen. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass ein Newsletter an Bestandskunden auch ohne Einwilligung möglich ist, sofern ein paar Spielregeln beachtet werden. Und die Entscheidung geht sogar weit darüber hinaus. Hier nun die Details:

 

Die Entscheidung des EuGH

Der Fall, über den der EuGH entschieden hat, spielt im EU-Land Rumänien. 

 

Was war passiert?

  • Bei einem Onlinedienst konnten Nutzerinnen und Nutzer sowohl ein kostenloses als auch ein kostenpflichtiges Konto erstellen. 
  • Der Onlinedienst schickten den Kunden, die sie ein Konto hatten, täglich einen Newsletter. 
  • Die Kunden konnten den Newsletter jederzeit abbestellen.
  • Die rumänische Datenschutzbehörde verhängte ein Bußgeld, da keine ausdrückliche Einwilligung für die Newsletterversendung eingeholt worden war.

Was hat der EuGH nun entschieden?

  • Es ist zulässig, Bestandskunden einen Newsletter zuzuschicken, auch ohne Einwilligung.
  • Das folgt aus Artikel 13 der ePrivacy-Richtlinie, die der DSGVO vorgeht. Anders ausgedrückt: Die DSGVO ist hier gar nicht anwendbar. Danach ist der Newsletterversand zulässig, wenn
    • die Daten im Rahmen der Kundenbeziehung erhoben wurden (zum Beispiel durch Erstellung eines Kontos),
    • der Newsletter eigene ähnliche Produkte/Services bewirbt,
    • ein ausdrückliches Opt-out angeboten wurde (sowohl bei der Registrierung als auch in jeder Werbe-E-Mail).
  • All das gilt selbst für Zero-Dollar-Clients. Anders ausgedrückt: Das Privileg, Bestandskunden auch ohne explizites Opt-in zu werblichen Zwecken anzusprechen, gilt auch, wenn das Nutzerkonto kostenlos ist – es reicht, dass eine (wirtschaftliche) Kundenbeziehung besteht und das Angebot „im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Dienstleistung“ steht.

Achtung!

Die DSGVO ist zwar bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nicht mehr anwendbar, aber die übrigen DSGVO-Pflichten müssen trotzdem beachtet werden. Dazu zählen etwa folgende Pflichten:

 

Verantwortliche Unternehmen müssen weiterhin über die Datennutzung informieren (Art. 12–14 DSGVO), und Betroffenenrechte sowie die Anforderungen an Auftragsverarbeitung bleiben unberührt.

 

Chancen und Pflichten für die Marketingbranche:

  • Wer Bestandskunden-Newsletter an Nutzer*innen mit Kundenkonto oder nach einem Verkauf (auch kostenlos!) versendet, kann sich auf das Bestandskundenprivileg berufen. Das gilt bereits bei kostenfreien Nutzerverhältnissen („Zero-Dollar-Client“), wenn darüber zur Inanspruchnahme kostenpflichtiger Leistungen geworben wird.
  • Es gilt allerdings wichtige Bedingungen zu beachten:
    • Die E-Mail-Adresse muss „im Zusammenhang mit dem Verkauf“ oder der kostenlosen Bereitstellung eines Dienstes erhoben worden sein.
    • Der Newsletter darf sich nur auf Produkte/Dienstleistungen des eigenen Unternehmens beziehen, die den bereits genutzten Leistungen „ähnlich“ sind.
    • Es muss stets eine leichte und kostenlose Widerspruchsmöglichkeit (Opt-out) angeboten und bereits beim ersten Kontakt über das Werbeziel informiert werden.
  • Und selbst dann bleibt Datenschutz ein Thema: Transparenzpflichten, Technische und organisatorische Maßnahmen, Betroffenenrechte und Auftragsverarbeitung aus der DSGVO gelten uneingeschränkt fort (§§ 12–22, 28 DSGVO).